Eine kurze Impression aus Gelevgi, Landkreis Elmali, Provinz Antalya
Im Zuge des EU-Projektes Kirkambar (ehemals Documentation, Digitalization and Promotion of the Traditional Beehives and Granaries in Teke Highland, Elmalı) wurde ich eingeladen die Provinzstadt Elmalı, rund 100km westlich von Antalya, im Juli 2021 zu besuchen. In meiner Funktion als Raumplanerin und „Heimatreporterin“ berichtete ich über den Umgang und den finanziellen Förder- und Nachnutzungsmöglichkeiten von Getreidespeichern als ländliche Kulturgüter in Mitteleuropa. Rund zwei Wochen nach meinem Besuch, möchte ich nun ein kurzes Resümee niederschreiben, besonders über meine Eindrücke der pittoresken Ortschaft Gelevgi, die wir im Rahmen einer Exkursion besuchten.
Gelevgi ist im sehr ländlich geprägten Umland von Elmali gelegen. Kaum fünfzig Seelen leben dort heute noch. Ein paar Stromkabel spannen sich quer durch das Dorf von Haus zu Haus – den bewohnten Häusern. Die Leerstandsquote beträgt geschätzt über 50 %, viele der heruntergekommenen Bauten dienen den letzten Bewohner*innen als Lager- oder Speicherhäuser, auch die Wohnhäuser haben ihre besten Zeiten bereits hinter sich gelassen. Viele Gebäude sind zurückgelassen oder aufgegeben worden, meist sind diese verschlossen und dem Verfall freigegeben. Hier scheint die Zeit stehen geblieben. Eine alte Frau sitzt auf den Stufen eines baufälligen Kornspeichers im Schatten, um der Nachmittagshitze zu entfliehen. Ein Eselskarren mit zwei Männern zieht vorbei, um die Ernte von den Feldern einzuholen. Eine Geschäftigkeit wie jene in der Stadt Elmali sucht man hier vergebens. Es fühlt sich so an als sei Ruhe eingekehrt in ein kleines Dorf.
Gelevgi erinnert mich ein wenig an Dörfer vor allem im Osten Deutschlands. Dort veröden reihenweise Dorfkerne, obwohl (technische) Infrastruktur vorhanden wäre. Durch Leerstand wirken die Dörfer zunächst verwaist, dann vergreisen sie. Es ist ein Teufelskreis: Jeder junge Mensch, der den ländlichen Raum verlässt, macht diesen älter. So alt, bis irgendwann keine*r mehr übrigbleibt. Und vor allem gut ausgebildeten Frauen, die braucht der ländliche Raum besonders! Denn sie sind die Triebfedern, die Organisatoren, die Mütter, Berufstätigen und Hausfrauen. Besonders Sie brauchen Raum für Perspektiven im ländlichen Raum.
Nun ist die Politik gefragt zu handeln! Ohne Hilfe werden es diese Dörfer nicht schaffen zu überleben. Es bedarf eines individuellen Konzepts, einer Überlebensstrategie, die gemeinsam und in engem Austausch mit den noch dagebliebenen Bewohner*innen ausgearbeitet werden muss. Es braucht neue Perspektiven, wenn es ein Dorf von morgen geben soll. Vielleicht kann die zerfallene Bausubstanz mithilfe lokalen Handwerker*innen repariert und anschließend (um-)genutzt werden. Und auch die Wiederbelebung oder Verbesserung der Basisinfrastrukturen Straße, Wasser- und Stromversorgung. Ein organisierter Vertrieb von lokal erzeugter Produkte im Sinne eines Netzwerkes oder die Erstellung eines nachhaltigen Tourismuskonzepts können ein Absprungbrett sein, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und
Arbeitsplätze zu schaffen. So kann es gelingen ein sterbendes Dorf wieder attraktiv zu machen und das bedeutet ebenso, dass dann dort Menschen leben werden, die gerne dort leben und sich um ihren Wohnort kümmern.
Sie ist aber noch zu spüren die Lebensfreude, der Tatendrang und wie es wohl ausgesehen haben muss vor 50 Jahren. Wunderschöne traditionell errichtete Häuser und Speicher im Fachwerkbau, aus Ziegeln und Holzbalken, die Fassade mit Lehm verputzt. Diese Bausubstanz ist wie die wahre alte Seele der Dörfer. Manchmal genügt es, einen neuen Lebensfunken zu sprühen und daraus entstehen Folgeprojekte, ein ganzes sinnbildliches Feuer entfachen.
Damit möchte ich wieder zurückkommen auf das Kirkambar-Projekt, welches aus dem EU-Fond „Common Cultural Heritage“ (CCH-2) gefördert wird. Auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen, in verschiedenen Klimalagen leben, von verschiedenen Religionen geprägt sind. Unsere Kulturen ähneln sich in manchen Dingen weit mehr als wir denken. Ich habe gelernt und gesehen, dass es gelingen kann, ein verloren geglaubtes Dorf wiederzubeleben und erneut lebenswert zu machen. Das ländliche Kulturgut und die Dörfer erzählen von unseren Vorfahren und Traditionen. Es wäre schade, wenn unsere Kinder zukünftig nicht mehr erleben können, wie ihre Urgroßeltern gelebt haben.
P.S.: Können Dörfer sterben? – Ja, Dörfer können sterben. Sie sterben im übertragenen Sinne – gemeinsam mit ihren Bewohner*innen.
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Claudia Schaefers