Ein gemeinsames Kartographieren des Schulstandortes Stainach
Die gebaute Umwelt scheint eine Welt der Erwachsenen zu sein – eine Welt voller Ordnungen von Dingen und Menschen, von Handlungen und Atmosphären, von Interaktionen und Interpretationen. Manche Ordnungen manifestieren sich materiell in der gebauten Umwelt, in der sich der Mensch bewegt, spielt und arbeitet – also lebt.
Vor allem sind es die Orte unserer Kindheit, die uns prägen. Jene Orte, in denen wir uns die „Welt“ erschließen, sie spielerisch interpretieren und gestalten: handeln lernen. Wo befinden sich diese Orte? Wo eignen sich Kinder neue Orte an? Wie sprechen Kinder über diese Orte? Und welchen Platz haben sie in einer oftmals allzu ökonomischen Planung?
Die Kinder der Volksschule Stainach-Pürgg und das Projektteam „Unsere Karte – Unser Ort“ erkundet die Umgebung am Schulstandort Stainach, sammelt Erzählungen und markiert die Orte, die bedeutend für Kinder sind. Einmal direkt am Ort, einmal in einer Karte. Denn genauso wie eine Karte Realität repräsentiert, erzeugt sie Realität. Im kollektiven Kartographieren zeigt und manifestiert sich, dass Kinder Mitautor*innen der Welt – und der Ordnung in ihr – sind.
Tag 1
Was ist eine Karte und was kann sie alles sein? Nach einem ersten Kennenlernen und einem Erweitern der Perspektive, dass Karten nicht immer verstaubte Wandkarten sind oder aussehen wie auf Google Maps, stattet sich das neu gegründete Forschungsteam mit wichtigem Equipment für die Stainach-Expedition aus: mit ausgefüllten Forscher*innenprofilen mit selbstgemalten Portraits, Stifte, Sackerl für Verpflegung und zum Sammeln von Erkenntnissen und Sonstigem, und einem großen und einem kleinen Fähnchen; alles selbst designt und gebastelt.
Draußen aus der Schule übernehmen die Schüler*innen den Lead. Sie zeigen (vor allem dem ortsunkundigen Christian) ihr Stainach, ihre Orte. Die besonderen Orte – die, wo es kribbelt im Bauch, vor Freude oder Wut, die Orte mit den Geschichten und Erinnerungen – markieren sie mit dem großen gebastelten Fähnchen.
Angekommen am Gemeindeamt Stainach-Pürgg eignet sich das Forschungsteam erst einmal den Standesamt-Saal an. Er wird umgebaut, umdekoriert zu einem Forschungsraum. Und die Grundlage für eine Stainach-Karte wird gebaut: 10 leere Blätter Papier mit der Größe A1. Jede*r Forscher*in setzt ein kleines Fähnchen auf die Karte, als Markierung für ihren Ort, den sie zuvor draußen mit ihrem großen Fähnchen markiert haben: am Fußballplatz im Tor, am See, dort wo Stefan mal eingebrochen ist, vor dem Geisterhaus, das man nicht immer sieht, es aber trotzdem immer da ist, dort, wo „Krone“ gespielt wird, …
Tag 2
Über Nacht hat sich der Forschungsraum des Gemeindeamtes mit sechs Forschungsstationen mit passendem Equipment gefüllt. Dabei vertrauen die Forscher*innen ihren Sinnen und lernen diese genau einzusetzen und zu schärfen, um ihre Forschungsfragen zu beantworten:
Nach der Expedition entsteht mit der umfassenden Sammlung der Forscher*innen eine Karte von Stainach fast wie von selbst. Eine bunte, lebendige, wunderschöne Karte hat sich zusammengesetzt, voller Geschichten, voller Bedeutung. Eine Karte von Stainach, die genauso wahr ist, wie jede andere. Die Kinder sind Forscher*innen, Kartograph*innen, Gestalter*innen und Mitautor*innen von ihrem Lebensraum, von Stainach – und von der Welt. Und das wissen sie (jetzt)!
Schule: VS Stainach-Pürgg
Lehrerin: Gerhard Pliem, Marlene Maringer
Baukulturexpertise: Christian Frieß, Isabel Stumfol, Birgit Schachner
Dieses Projekt wird durch die Projektreihe RaumGestalten 2019/20 unterstützt, getragen von: OeAD, Architekturstiftung Österreich sowie Bundeskammer der Ziviltechniker:innen | arch+ing
+++ Verein zur Förderung einer interdisziplinären Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt +++